Was will ich euch aus Burma erzählen? Dass die Regierung seine Bevölkerung unterdrückt, dass beim Handelsembargo der ganze Westen mitmacht, dass das Land abgeschottet vom Rest der Welt still steht? Diese düsteren Fakten dringen so emotionslos zu uns, dass wir das Land trotzdem je länger je mehr einfach vergessen. Es braucht Gewalt, damit es die Neuigkeiten aus Burma wieder bis in die News schaffen. Wie vor drei Jahren etwa, als ein Aufstand der Mönche von der Militärjunta brutal niedergeschlagen wurde und ein paar mutige Videojournalisten das Beweismaterial aus dem Land schmuggelten.
Gewalt ist das letzte, dass ich diesem Land, diesen Leuten wünsche. Aber wie sollen die Leute mitarbeiten können an einer besseren Zukunft des Landes, wenn die Regierung konsequent auf die Bremse tritt? Zensur, Spione und die Gefahr einer politischen Haft machen ein freies Denken nahezu unmöglich. Die Oppositionsführerin steht unter Hausarrest. Und die Regierung kann wohl nur gestürzt werden, wenn Gewalt eben nicht angewendet wird – wenn sich selbst die Soldaten gegen die Regierung wenden und sich weigern, bei einem erneuten Aufstand in die Menge zu schiessen. Oder wenn die Regierung wirtschaftlich so ausgemergelt ist, dass ein Weiterregieren unmöglich wird. Aber solange starke Handelspartner aus dem Osten vorhanden sind, wird dies nicht geschehen. Denn Burma besitzt über wertvolle natürliche Ressourcen.
Ich habe mich lange damit auseinandergesetzt, ob eine Reise in dieses Land moralisch vertretbar ist oder nicht. Ich bin mir auch jetzt noch nicht ganz sicher. Ich habe aber gemerkt, dass sich die Leute mehr Austausch mit Fremden wünschen und sich über die Aufmerksamkeit freuen. Welche ich mit diesem Beitrag bestärken möchte.
Für mich waren es zwar nur 14 „burmesische Tage“ (die Literaturfans verstehen die Anspielung), doch man muss sich nicht einmal sonderlich bemühen, um mit den Menschen in Kontakt zu kommen und ihre natürliche Freundlichkeit zu schätzen. Man erlebt Sitten und Bräuche, wie sie in anderen Ländern schon lange nicht mehr existieren. Männer tragen Röcke (Longhyis) und kauen statt Kaugummi Betel-Blätter. Frauen wie Männer schminken sich mit Makeup, das aussieht wie Sandkörner. Im fortschrittlichen Yangon schmeisst ein Zeitungsverteiler das Blatt auf den Balkon im dritten Stock. In Mrauk U radelt man mit einem Mönch auf dem Gepäckträger durch den Morgennebel. Am Flughafen in Sittwe passiert man ein Sicherheits-Tor aus Holz, bevor man in eine alte Fokker steigt, in deren Innerem aus der Klimaanlage Drähte hangen. Zuvor hat man sich vom Zöllner aus dem „grossen Logbuch“ austragen lassen, wo alle Touristen seit der Geburt Jesus eingetragen sind.
Nicht traditionell, sondern schlicht nur mühsam ist die sonderbare Art der Burmesen, mit Geld zu handeln. Das ganze Pack Dollar muss von aussen ins Land getragen werden. Als erstes begibt man sich zum Markt, fragt in ein paar Juweliergeschäften nach dem besten Kurs („This ist the official black market“) oder informiert sich an der Hotel-Rezeption, ob man am Limousinen-Schalter im selben Raum nicht doch mehr für sein Geld erhält (ja, man tut). Dann gehen die Lichter aus und die Übergabe des schwarzen Plasticksacks erfolgt. Das Zählen der burmesischen Kyat-Noten beginnt. Auf der Gegenseite wird die Seriennummer jedes einzelnen Dollarscheines notiert. Zum Kyat-Zählen nimmt man besser einen vertraulichen Freund mit, denn weil die höchste gängigen Kyat-Note den Wert eines Dollars hat, können bei einem grösseren Tauschgeschäft schon mal ein paar Bündel der Lokalwährung zusammenkommen. Damit der Deal zustande kommt, müssen piekfeine Dollarnoten geliefert werden. Im Gegenzug erhält man Fetzen Papier, bei denen man schon bei Berührung die Übertragung einer gefährlichen Hautkrankheit befürchtet.
Nun ist es natürlich so, dass die Abgeschottenheit von der Aussenwelt auch dazu führt, dass der eine oder andere Burmese etwas in der Vergangenheit lebt. Gut in Erinnerung ist mir der Herr, der uns auf einem Spaziergang am Kandawgyi-See in Yangon begegnet ist. Stolz hob er eine Ausgabe des Newsweek aus dem Jahr 1985 hervor und machte uns darauf aufmerksam, dass wir den Überflug zweier burmesischen F-16-Jets nur knapp verpasst hätten. Die Titelstory der Ausgabe: „Can the Soviets keep up with the Americans?“. Er ignorierte unsere Einwände über das Alter des Magazins. Vielleicht konnte er gar nicht lesen.