Dienstag, 13. April 2010

Burma (Myanmar)





Was will ich euch aus Burma erzählen? Dass die Regierung seine Bevölkerung unterdrückt, dass beim Handelsembargo der ganze Westen mitmacht, dass das Land abgeschottet vom Rest der Welt still steht? Diese düsteren Fakten dringen so emotionslos zu uns, dass wir das Land trotzdem je länger je mehr einfach vergessen. Es braucht Gewalt, damit es die Neuigkeiten aus Burma wieder bis in die News schaffen. Wie vor drei Jahren etwa, als ein Aufstand der Mönche von der Militärjunta brutal niedergeschlagen wurde und ein paar mutige Videojournalisten das Beweismaterial aus dem Land schmuggelten.

Gewalt ist das letzte, dass ich diesem Land, diesen Leuten wünsche. Aber wie sollen die Leute mitarbeiten können an einer besseren Zukunft des Landes, wenn die Regierung konsequent auf die Bremse tritt? Zensur, Spione und die Gefahr einer politischen Haft machen ein freies Denken nahezu unmöglich. Die Oppositionsführerin steht unter Hausarrest. Und die Regierung kann wohl nur gestürzt werden, wenn Gewalt eben nicht angewendet wird – wenn sich selbst die Soldaten gegen die Regierung wenden und sich weigern, bei einem erneuten Aufstand in die Menge zu schiessen. Oder wenn die Regierung wirtschaftlich so ausgemergelt ist, dass ein Weiterregieren unmöglich wird. Aber solange starke Handelspartner aus dem Osten vorhanden sind, wird dies nicht geschehen. Denn Burma besitzt über wertvolle natürliche Ressourcen.

Ich habe mich lange damit auseinandergesetzt, ob eine Reise in dieses Land moralisch vertretbar ist oder nicht. Ich bin mir auch jetzt noch nicht ganz sicher. Ich habe aber gemerkt, dass sich die Leute mehr Austausch mit Fremden wünschen und sich über die Aufmerksamkeit freuen. Welche ich mit diesem Beitrag bestärken möchte.

Für mich waren es zwar nur 14 „burmesische Tage“ (die Literaturfans verstehen die Anspielung), doch man muss sich nicht einmal sonderlich bemühen, um mit den Menschen in Kontakt zu kommen und ihre natürliche Freundlichkeit zu schätzen. Man erlebt Sitten und Bräuche, wie sie in anderen Ländern schon lange nicht mehr existieren. Männer tragen Röcke (Longhyis) und kauen statt Kaugummi Betel-Blätter. Frauen wie Männer schminken sich mit Makeup, das aussieht wie Sandkörner. Im fortschrittlichen Yangon schmeisst ein Zeitungsverteiler das Blatt auf den Balkon im dritten Stock. In Mrauk U radelt man mit einem Mönch auf dem Gepäckträger durch den Morgennebel. Am Flughafen in Sittwe passiert man ein Sicherheits-Tor aus Holz, bevor man in eine alte Fokker steigt, in deren Innerem aus der Klimaanlage Drähte hangen. Zuvor hat man sich vom Zöllner aus dem „grossen Logbuch“ austragen lassen, wo alle Touristen seit der Geburt Jesus eingetragen sind.

Nicht traditionell, sondern schlicht nur mühsam ist die sonderbare Art der Burmesen, mit Geld zu handeln. Das ganze Pack Dollar muss von aussen ins Land getragen werden. Als erstes begibt man sich zum Markt, fragt in ein paar Juweliergeschäften nach dem besten Kurs („This ist the official black market“) oder informiert sich an der Hotel-Rezeption, ob man am Limousinen-Schalter im selben Raum nicht doch mehr für sein Geld erhält (ja, man tut). Dann gehen die Lichter aus und die Übergabe des schwarzen Plasticksacks erfolgt. Das Zählen der burmesischen Kyat-Noten beginnt. Auf der Gegenseite wird die Seriennummer jedes einzelnen Dollarscheines notiert. Zum Kyat-Zählen nimmt man besser einen vertraulichen Freund mit, denn weil die höchste gängigen Kyat-Note den Wert eines Dollars hat, können bei einem grösseren Tauschgeschäft schon mal ein paar Bündel der Lokalwährung zusammenkommen. Damit der Deal zustande kommt, müssen piekfeine Dollarnoten geliefert werden. Im Gegenzug erhält man Fetzen Papier, bei denen man schon bei Berührung die Übertragung einer gefährlichen Hautkrankheit befürchtet.

Nun ist es natürlich so, dass die Abgeschottenheit von der Aussenwelt auch dazu führt, dass der eine oder andere Burmese etwas in der Vergangenheit lebt. Gut in Erinnerung ist mir der Herr, der uns auf einem Spaziergang am Kandawgyi-See in Yangon begegnet ist. Stolz hob er eine Ausgabe des Newsweek aus dem Jahr 1985 hervor und machte uns darauf aufmerksam, dass wir den Überflug zweier burmesischen F-16-Jets nur knapp verpasst hätten. Die Titelstory der Ausgabe: „Can the Soviets keep up with the Americans?“. Er ignorierte unsere Einwände über das Alter des Magazins. Vielleicht konnte er gar nicht lesen.





Samstag, 13. März 2010

Vietnam





Während Tet ist Vietnam im Ausnahmezustand. Nicht nur, dass Türen zu sonst noch so geschäftigen Läden verschlossen bleiben. Es treiben sich auch Gestalten wie der junge Long rum. Obwohl man sich bis dahin angelernt hat die obligate Startfrage „Where you from“ zu ignorieren oder mit „Kasachstan“ zu beantworten, liess der junge Mann nicht locker. Er erzählte von der Familie, die in Deutschland sei, er so alleine im grossen Hanoi und ich ja auch. Ob man nicht zusammen was unternehmen könnte? Ich sagte zu, nicht zuletzt darum, weil seine nahezu perfekten Deutschkenntnisse seiner Story eine gewisse Authentizität verliehen hatten.

Jetzt war es aber so, dass ich mich zum vereinbarten Zeitpunkt nicht am vereinbarten Ort, sondern in Begleitung einer reizenden jungen Frau befand. Doch Long war da, wo ich auch sein sollte. Das merkten wir, als wir das Gekritzel sahen, dass er auf den Rezeptionstisch geklebt hatte. Wir – oder zumindest ich, der das Versprechen abgegeben hatte – war etwas von meinem Gewissen geplagt. Bis wir ihm am nächsten Tag erneut über den Weg liefen. Diesmal gab es nur Entschuldigungen und natürlich keine Ausreden mehr.

Wir warteten, er kam, wir setzten uns in ein Restaurant, wo er gleich selber das Heft in die Hand nahm. Er kletterte die Treppe hoch in die Küche und war verschwunden. Bis er nach etwa einer halben Stunde mit einem selbst gebackenen Tet-Kuchen zurück kam. Unsere Skepsis war erst dann gänzlich verflogen, als wir nach dem Verzehr der Speise nicht tot umfielen. Aber was wollte er denn nun eigentlich? Die Antwort darauf ist so unspektakulär sympathisch, dass wir den jungen Long wohl noch lange in guter Erinnerung behalten werden. Long wohnte bei einer Gastfamilie. Nun lud die natürlich ihren ganzen Familienclan ein. Ein Fremder bringt gemäss dem Glauben der Vietnamesen in diesem Zusammensein Unglück. Also verzog sich Long. In einem Restaurant quartierte er sich gegen etwas Küchenhilfe ein. Weil seine Freunde bei deren Familien und seine eigene Familie in Deutschland war, blieb Long alleine in Hanoi zurück. Und traf uns. Logisch, oder?

Glauben ist sowieso so eine Sache in Vietnam. Tempel sind nicht wie in Thailand, Kambodscha und Laos ein Ort der Meditation und Ruhe. Vielmehr liegt den Buddhas Müll zu Füssen. Es wird geraucht. Die Gläubigen zahlen sich ihre Sünden vor jeder Schildkröte vom Leib. Das geht ganz schön ins Geld. Alle haben es furchtbar eilig – denn es sind viele Schildkröten. Und Kraniche. Und Buddhas. Und Bäume. Wie war noch mal der Name dieser Zwangskrankheit?

Natürlich sind nicht alle Menschen in Vietnam so wie Long. Viele wollen Business machen. Das kann man ihnen nicht übel nehmen. Massage beispielsweise ist ein ganz grosses Ding in Vietnam. Sie wird von Radfahrern angeboten, die sich durch Rasseln erkennbar machen (ich hielt sie für Drogendealer) und die direkt nach oder noch besser während dem Essen zu Werke gehen. Oder von Coiffeusen, die keine Haare schneiden können. Oder von vollbusigen Prostituierten, die sich nicht mal die Mühe machen diskret zu sein. Unter „Massage Bum Bum very cheap!“ konnte ich mir auf jeden Fall ziemlich gut vorstellen, was gemeint war.

Man kann nicht über Vietnam sprechen, ohne über den Verkehr ein Wort zu verlieren. Nicht wie in Sumatra, wo scheinbar Fernbusse Krankenwagen im Einsatz überholen fahren die Busse langsam und sicher. Das müssen sie auch – bei diesem Verkehr! Die Fahrt von Hoi An in der Landesmitte nach Saigon dauerte so 25 Stunden und war trotzdem irgendwie ganz angenehm. Nicht mehr ganz so angenehm war der Platten am Motorrad, den wir eine knappe Stunde vor Abfahrt des Busses etwa 20km entfernt erlitten. Doch der Schaden war schnell behoben. 15 Minuten Arbeit und ein neuer Schlauch. Was dürfte das kosten? Na, so einen halben Franken natürlich.

Betreffend Essen erlebten wir das ganze Spektrum mit – von der Spaghetti Bolognese mit Tabasco über die Vietnam-Pizza bis zum Gourmet-Wetteifern auf den Strassen von Hoi An („Gestern assen Sie diesen tollen Fisch bei der anderen Köchin aber heute geben Sie meine Mutter eine Chance noch besser zu kochen bitte!“). Der tolle Fisch hiess übrigens „steamed fish with ginger“, ist absolut zu empfehlen und wird von mir mit der höchsten aller für Vietnamesen erdenklichen Auszeichnungen versehen: Ich ernenne ihn an dieser Stelle spontan zum „Ho-Chi-Minh-Fisch“.





Freitag, 26. Februar 2010

Laos






Der Grat zwischen Entspanntheit und Langeweile in Laos ist schmal. Die gemütliche, ja fast träge Art der Laoten wirkt nach anstrengenden Thailand- oder Kambodscha-Tagen wie eine Erlösung. Eine relativ kurze Geschichte und ein stärkerer Kolonialeinfluss machen es schwer, den Charakter dieses Landes so richtig zu fassen. Laos ist ethnisch dreigeteilt, was auch ein starkes Nationalgefühl verhindert. Trotzdem, oder gerade deswegen scheint der Tourismus im kommunistisch regierten Land in diesen Jahren anzuziehen. In Vang Vieng turnen tätowierte Bizepse an Trapezen und braungeölte Bikinis trinken Wodka-Orange. In Luang Prabang sitzen Pensionäre mit langen Objektiven in der ersten Reihe der traditionellen Tanzaufführung und spenden den teilweise sehr bizarr anmutenden Szenen Beifall. Und trinken Espresso wie in Italien, essen Baguette wie in Frankreich oder Pad Thai wie in Thailand.

Dabei waren die Kolonial-Franzosen von damals vom Territorium enttäuscht, weil nur begrenzte natürliche Ressourcen verfügbar sind. Das Land gehört noch immer zu den ärmsten der Welt. Mehr als seine Nachbarn ist es auf die Entwicklung des Tourismus angewiesen. Mit einem Mix aus Aktivität und Kultur hat sich Laos auf jeden Fall gut für den Besuch von Touristen verschiedener Interessen vorbereitet.

Die träge, unbekümmerte Art der Laoten ist auf seine Weise sympathisch. So erscheint ein Trekking-Guide schon mal betrunken in Flip-Flops und sein Kollege auf dem Mountainbike bricht auf halber Strecke ein. Nackt im Badezimmer stellt man fest, dass man den bevorstehenden Wasserkonsum nicht an der Rezeption angemeldet hat. Und der Grenzbeamte wünscht vor dem Flug nach Hanoi schlicht "Good Luck". Aber er lacht.



Mittwoch, 20. Januar 2010

Kambodscha

Oh mein Gott, Kambodscha! Was fuer ein Land, was fuer eine Geschichte, was fuer ein Erlebnis! Dieses Land hat mich aufgesaugt, kraeftig durchgekaut, und am Ende auf unfeine Art und Weise ausgespuckt...doch lest es selbst in vier fuer mich typischen Kambodscha-Momenten:

Die Tempelwanderung

Ohne seine historischen Tempelstaetten waere Kambodscha heute wohl nur ein Haeufchen Elend. Und davon gibt es heute noch viele, auch wenn nicht zuletzt die Amerikaner (im Vietnamkrieg) und die brutalen Khmer Rouge (als Folge davon) viele historische Tempelstaetten zerstoerten, doch in Relation zu den sonstigen Geschehnissen dieser Zeit muss dieser Verlust wohl als Nebensaechlichkeit bezeichnet werden.

Angkor ist der Stolz der Nation, die Erinnerung an die ruhmreichen Zeiten des einst maechtigen Khmer-Reiches. Tempelruinen gibt es nicht nur in Angkor, an manch anderen Orten finden sich einsamere Ruinen wie z.b. in Sambar Prei Kuk. Angesichts der massiven Bauten und ihrer teilweise abgelegenen Lage hat man das Gefuehl, dass heute noch ein moderner Indiana Jones mitten im Dschungel auf alte Relikte stossen koennte. Als besterhaltenste Tempelanlage bleibt Angkor aber auch touristisch unangetastet. Dass der Tourismus der Staette aber auch schaden kann, beweisen nicht nur die zahlreichen Vandalen-Akte, sondern auch die Tatsache, dass Hotels ohne Bewilligung das Grundwasser anzapfen und mittelfristig so den Einsturz der Bauten bewirken koennten.





Der Sog der Stadt

Phnom Penh ist einzigartig. Phnomh Penh vibriert, pulsiert, lebt. Die Stadt entwickelt eine enorme Dynamik und wurde in erster Linie durch die Alltagsbeduerfnisse der Menschen und nicht durch Geistesblitze von Architekten geformt. Schier unglaublich ist es, dass die ganze Stadt durch die Khmer Rouge vor 30 Jahren geraeumt wurde und wie rasant der Optimismus in die Stadt zurueckgekehrt ist. Paradox ist auch der Umstand, dass der Krieg fuer die Kambodschaner die beste Moeglichkeit bietet, um aus dem Tourismus Kapital zu schlagen. Wer nach dem Gesehenen tatsaechlich noch auf das Angebot eingeht, mit dem Gewehr schiessen zu gehen, der hat irgend etwas wohl falsch verstanden oder einfach ein verdammt eisernes Gewissen.

In der Stadt macht man, was man will. Der Hostel-Angestellte verkauft Drogen, die Prostituierten spielen Pool. Und wenn man mit dem aktuellen Marijuana-Preis nicht einverstanden ist, zieht man die Zuegel kurz etwas an wie der breitschultrige, dunkelhaeutige Gast. Dann wird der Preis schon passend gemacht. Die Stadt macht manchmal aber auch mit seinen Gaesten, was sie will. Nach zwei Tagen Regen (in der Trockenzeit), Kaefern im Schlafsack und hunderten von Moskito-Stichen kapitulierte ich und floh mit dem letzten Andenken, einer Viruserkrankung, nach Singapur.





Das Nirgendwo

Manchmal findet man sich an einem Ort wieder, an dem man sich sorgt: was mache ich, wenn es dunkel wird? Kompong Thom ist so ein Ort. Und Mondulkiri. Dort gibt es im Zentrum einen wilden Ochsen und eine Bar mit dem Namen In the Middle of Somewhere, die einen Tisch zaehlt und bei der man sich fragt, wie der Besitzer auf den irrefuehrenden Namen kam. Ich hatte leider nicht das Vergnuegen, im Zentrum des Geschehens zu hausen. Meine Bleibe befand sich etwa 1km ausserhalb. Diesen Ort empfahl mir der geschaeftige Herr mit dem bezueckenden Namen Mr. Tree, der spaeter einen Russen um 250 Dollar Dschungeltrekking Geld betruegen sollte, worauf letzterer den Ortspolizisten einschalten sollte, worauf die letzteren beiden den Abend mit ein paar Glaesern kambodschanischen Weins retten wuerden. Doch genug der Nebensaechlichkeiten. Mein Schlafgemach war in Ordnung, denn an der Wand sorgte ein erotisches Poster fuer Stimmung und in den drei Zimmern nebenan tanzten und sangen 20 kambodschanische Touristen die ganze Nacht. Spaeter kotzt einer in Dezibel. Doch irgendwann geht auch in Mondulkiri die Sonne auf und die Probleme der Nacht sind vergessen. Eine wirklich harsche Motorradfahrt ueber Stock, Stein und morbide Bruecken wird mit einem bezaubernden Wasserfall und einer Landschaft mit einer fantastischen Kombination von trockenen und feuchten Farben belohnt. Der wilde Osten!





Der unerwartete Bushalt

Busse halten oft in Kambodscha und ueber die Gruende mag man sich schon nach kurzer Zeit nicht mehr aufregen. Ein Hauptgrund dafuer ist das in Kambodscha uebliche hoch individualisierte Ein- und Aussteigeverhalten. Fuer ein Aussteigen genuegt ein kraeftiger Stopp-Ruf in Richtung des Fahrers. Beim Einsteigen soll es vorkommen, dass nicht der Passagier auf den Bus, sondern der Bus auf den Passagier wartet. Dann naemlich, wenn der Passagier einen Verbuendeten im Bus hat, der mittels Handy dem Fahrer das baldige Eintreffen des betreffenden Gastes versichern kann.

Problematisch wird es bei diesem Stop-and-Go, wenn das Go nicht mehr gewaehrleistet ist. Ich spreche vom unvorhergesehenen, oft endgueltigen Halt im Falle eines technischen Defektes. Dann wird sich der Fahrer hoechst persoenlich um die Angelegenheit kuemmern und am kaputten Teil schrauben, drehen, klauben. Auch Mundkontakt mit dem widerspenstigen Teil lehnt er nicht grundsaetzlich ab. Fuer den Passagier allerdings wird die Situation zunehmend ungemuetlich, zumal im Bus kein Wasser mittransportiert wurde und nach 3h kein Ende in Sicht ist. Wie raus aus dem Schlamassel? Fuer den Freund des Rechts und der Ordnung: Diskutieren, Lamentieren, Entschaedigung einfordern. Fuer den Freund der effizienten Loesungsfindung: Minibus anhalten, zahlen, vergessen.

Freitag, 1. Januar 2010

Einfuerhende Bemerkungen (Hallo)

Liebe Leser, an dieser Stelle haemmere ich fortan die Erlebnisse meiner Suedostasienreise hin. Zum Start masse ich mir gleich an, nach knapp 30 Tagen in Thailand ein (persoenliches!) Fazit zu ziehen. Dabei nehme ich die beruehmte Eberhardsche Fuenferskala zu Hilfe, welche ueber einige Lebensbereiche des Landes urteilt. Ihr merkt: das Ganze soll nicht zu ernst genommen werden!

Morgen gehts fuer mich nach Sihanoukville. Der Blog ist ja so angelegt, dass in ungefaehr 3-4 Wochen der naechste Eintrag ueber Kambodscha folgen sollte. Ueber Kommentare freue ich mich, so gebt ihr mir das Gefuehl, dass mein Geblabber gelesen wird und die Chancen steigen, dass ich die Sache durchziehe :)

Bis dann, mit Gruss aus Trat

Thailand

Stadt

Bangkok sollte man sich eigentlich nicht antun. Diese Stadt ist laut, dreckig und anstrengend. Geht man aus dem Haus, braucht man ein Ziel. Ansonsten treibt man dahin, wo einem die Stadt will. Und die Stadt will einem dort, wo Geld umgesetzt wird. Insbesondere ein Fussmarsch in der Innenstadt stoesst bei einheimischen Tuk Tuk und Taxifahrern kaum auf Verstaendnis. Laesst man sich auf eine vielversprechende Stadtrundfahrt ein, kann es schon einmal sein, dass man mit einem Herrn aus Singapur ueber vergoldete Uhren spricht oder sich in einem Juweliergeschaeft nach einem interessanten Deal umsieht. Deshalb lautet die Regel Nummer eins in Bangkok: Traue absolut niemandem, vor allem nicht den freundlichen Menschen, die dir auf der Strasse hilfsbereit Tipps geben wollen. Der Grand Palace ist nicht ausgerechnet an dem Tag geschlossen, an dem du hinwillst und das interessante Angebot einer Reise nach Ko Chang fuer 2900 Baht (anderswo 700) gilt es abzulehnen. Sei stark! Etwas kuehler (auch temperaturmaessig), aber mit denselben Regeln geht es im nordischen Chiang Mai zu und her. Hier sind die Trekking Touren in den Dschungel, die Kochkurse oder die Elefantenshows grosse Dinger. Die tausend Tempelanlagen hingegen, welche die Haupt-Sehenswuerdigkeit in beiden Staedten sind, hat man aber irgendwann, meistens recht schnell, satt. Fazit: Erlebenswert, aber nicht empfehlenswert. Einen von fuenf Punkten.




Land und Strand

Nicht alle muten sich Bangkok zu oder beschnuppern die Stadt nur auf der Durchreise ins thailaendische Inselparadies. Ueber die suedlichen Touristenmagnete wie Phuket oder Ko Samui kann ich kein Wort verlieren - ich war nicht dort. Ich liess mich aber von der Lektuere vom Roman The Beach kultivieren. Solche im Roman beschriebene unberuehrte Paradiesinseln gibt es tatsaechlich. Wer ein dickes Portemonnee hat, kann vom Staat Thailand eine paar Quadratmeter grosse Insel zum Spottpreis von etwa 4 Millionen Franken beziehen. Gesehen im Ko Chang-Archipel, das mit dem Slogan unberuehrtes Paradies fuer sich wirbt, wo aber zahlreiche Luxus-Resorts daran sind, dieses Image zu untergraben. Die Trauminseln und Korallenriffe kann man freilich heutzutage auch vom Touristenboot aus betrachten, wo die Reiseleiterin lustige Ratespiele zum besten gibt, ueber die vorbeiziehende Naturpracht aber kaum ein Wort verliert. Die Besatzung dieser Touristenboote stoert die Haengemattenstimmung auf den erst wenig bewirtschafteten Inseln nur, wenn sie mittags fuer einen Zwischenstopp die Kueste abschnorchelt.
Grundsaetzlich weniger beliebt bei Thailand-Touristen sind Orte, die weder ueber einen internationalen Flughafen, noch ueber einen Traumstrand verfuegen. Wie Sukothai. Dort werden die Bustickets im Massagesalon verkauft und zwischen den historischen Tempeln - ein Unesco-Weltkulturerbe - ist es gar schwer, einen Getraenkestand zu finden. Hier scheint die Zeit stillgestanden zu sein, seit Ayutthaya der vor hunderten von Jahren den Rang abgelaufen hat (warum eigentlich? Meine Mitreisenden wissen: Die Tourist Information zeigte sich bei der Beantwortung dieser Frage unter seinen Moeglichkeiten..) Andererseits gibt es auch abseits Bangkok Fischerdoerfer wie Samut Songkram, wo vor allem morgens ueberall emsiges (Markt)Treiben herrscht und wo 69-jaehrige ruestige Familienvaeter den nicht halb so alten aber sicherlich doppelt so schweren Gast mit der Fahrradrikscha umherkutschieren. Die besichtigten Tempel sind nicht der Rede wert, doch darum geht es ja auch nicht. Der Tourismus hat Thailand an-, aber noch nicht aufgefressen. Drei Punkte!




Leute

Enthusiastisch sollen sie sein hier in der Region. Und freundlich. Ich will den Thailaendern diese Eigenschaften auf keinen Fall absprechen. Vielerorts paart sich die Freundlichkeit allerdings mit einem durchdringlichen, wenn nicht sogar aufdringlichen Geschaeftssinn. Doch das kommt wohl davon, dass man als eindeutig erkennbarer westlicher Tourist vor allem mit den englischsprachigen Thailaendern zu tun bekommt, die in diesem Bereich ihre Broetchen verdienen.
Dass Englischkenntnisse nicht unbedingt mit einer guten Allgemeinbildung einhergehen bewies beispielsweise derjenige Tuk Tuk Fahrer, welcher mich mit Adolf Hitler verglich und sich der darauffolgenden Diskussion ehrlich stellte (he attacked Israel, right? what is second world war? who is better, hitler or fidel castro?). Man muss den Thailaendern aber gleichwohl zugute halten, dass sie trotz ihrem Riecher fuer lose Baht auch dann freundlich sind, wenn man ihnen diese nicht aushaendigen will. Ob der Enthusiasmus, der ihnen oft zugesprochen wird, allenfalls auf den regen Mekong-Whisky-Konsum zurueck geht, konnte ich in der mir zur Verfuegung stehenden Zeit nicht eruieren. Die immernette Reiseberaterin On aus Chang Mai jedenfalls hat ihre Zunft in enthusiastischer Hinsicht im besten Licht vertreten. Ich bin demnach sicher, dass ihre neue Geschaefts-Idee, die Rock-On-Bar vor dem Tourist Office, ganz dick einschlagen wird. Als erste Kunden haben wir quasi den Pretest absolviert und sind begeistert. Vier von fuenf Punkten!




Essen

Hier startet Thailand eindeutig mit einem Startguthaben ins Rennen. Die Thai-Kueche mit ihren mannigfarbigen Currys hat bei mir schon in der Schweiz gross gepunktet. Punkto Vielfalt muss den Thailaendern aber die Leviten gelesen werden, schmeckt doch fast alles nach scharfer Chili und wird in einem brodelnden Kokosnuss-Topf zubereitet. A propo Schaerfe: Currys sind in dieser Beziehung eher for beginners. Wer wirklich scharf essen will (Matt?) und dazu etwas masochistisch veranlagt ist, kann das Gefuehl auf seiner Zunge mit einem Thai-Spicy-Sausage-Salat abtoeten. Weiter kann in dieser Kategorie nicht darueber hinweggesehen werden, dass der Street-Food nicht immer nur koestlich ist und schon mal glitschige unerkennbare Fleischwuerfel in einer Nudelsuppe schwimmen koennen. In diese Kategorie gehen auch die beruechtigten und ueberall erhaeltlichen Eier-Spiesse (drei gekochte Eier am Spiess). Nichtsdestotrotz: Der koestliche Papaya-Salat, das immergute Pad Thai und die erfrischenden Kokosnus-Shakes und Schokoladen-Bananen-Rotis holen die Kohle aus dem Feuer. Thailand und Essen, das gehoert zusammen. Nicht zuletzt aus diesem Grund habe ich das Koch-Handwerk in Chiang Mai erlernt. Zwar nur einen Tag lang, aber wer sechs Speisen an einem Tag kochen und essen kann, der ist ausgelernt und satt. Ich vergebe vier von fuenf Punkten.




Transport

In Thailand funktioniert alles einwandfrei, auch wenn punkto Information der Passagiere teilweise noch Aufholbedarf besteht. Busse fahren puenktlich oder zu frueh, und die Hauptstadt weiss seit zehn Jahren mit einem modernen Skytrain und einer U-Bahn aufzuwarten. Leider bedienen diese bloss den modernen Stadtteil im Osten, so dass die beliebtesten Sehenswuerdigkeiten wie der Grand Palace nur auf den fetten Strassen zu erreichen sind. Die sind entsprechend gut frequentiert und trumpfen insbesondere in Bangkok punkto Laerm und Umwelt-Unfreundlichkeit ganz gross auf. An einer Kreuzung warten schon mal 60 Motorraeder und die dreifache Anzahl an anderen Transportmitteln auf die Weiterfahrt. Auch im Bereich Sicherheit koennte etwas getan werden. Die Ladeflaeche eines Pick-ups beispielsweise ist eine nicht nur gesundheitstechnisch fragwuerdige Sitzflaeche fuer Personen, sondern weist auch nicht die besten Aussichten fuer die betreffenden Passagiere im Falle eines Zwischenfalls auf. Auch beim Fahren des sogenannten Familien-Motorrads (Kinder vorne, Papa in der Mitte, Mutter klammert hinten) waere das Tragen von Helmen sicherheitstechnisch wertvoll. Die Preise fuer Taxis und Tuk Tuks variieren je nach Tageszeit und Fahrgast. Drittklasszuege verdienen ihren Namen und es ist noch lange nicht gesagt, dass ein Nachtbus mit der Bezeichnung V.I.P. rissfreie Fensterscheiben und abstellbare Klimaanlagen garantiert. Trotzdem vergebe ich vorsichtigerweise stolze vier von fuenf Punkten. Grund: Die Skala muss nach unten Freiraum haben, denn wer weiss, was noch kommt...




Fun

Unterhaltung wird ganz gross geschrieben hier in Thailand. Die taeglichen Feuershows am Strand verlieren zwar mit der Zeit ihre Attraktivitaet, so dass man sein Dinner darum herum plant. Aber der weit entwickelte Tourismus garantiert die (noetigen?) westlichen Amuesier-Moeglichkeiten wie Full-Moon Partys oder Sextourismus. Gerade letzterer geniesst ja kein sonderlich gutes Image und kann auch von mir nicht unkommentiert bleiben. Gerade in Patpong geben sich die Schlepper auch nach fuenf bis sechs Nein nicht geschlagen und fordern einem gern einmal zum Mann-gegen-Mann heraus. Das Sextouristen-Watching wird dadurch beinahe verunmoeglicht, doch lassen sich die betreffenden Kunden auch am hellichten Tag aufgrund ihres Aeusseren als solche erkennen. Interessant ist, dass die anbietenden Frauen meistens ganz akzeptable Massage-Kenntnisse haben. Leider, oder zum Glueck, wurde mir kein Extra Service angeboten, wurde mir die bestellte Fussmassage doch von einem etwas gar kraeftigen Einheimischen verabreicht. Viel diskutiert wird ja auch ueber das sogenannte dritte Geschlecht, das hier in Thailand scheinbar oft anzutreffen sei. Dazu will und kann ich mich an dieser Stelle nicht aeussern. Zu erwaehnen waere aber der freundliche Motorradfahrer, der mich in Chiang Mai kostenlos ins Guesthouse zuruecktransportierte und gerne noch etwas geblieben waere (Grund: er war sehr muede und wollte sich vor dem langen beschwerlichen Heimweg noch eine Stunde hinlegen). Ein Griff in meinen Schritt verriet zumindest ihm, dass ich bin, was ich bin. Das war gar nicht funny. Auch weil die wirklich lustigen Feste fast ausschliesslich in den Backpacker Hochburgen steigen kann ich hier schweren Herzens nur zwei von fuenf moeglichen Punkten verteilen.




Ps: Das letzte Wort gehoert hier - wie es sich hierzulande gehoert - dem Koenig. Nicht zuletzt wegen der politisch eher instabilen Lage geniesst der Monarch, der schon ueber 60 Jahre im Amt ist, enorme Popularitaet. Zweimal am Tag, um 8 und 18 Uhr, legen die Thailaender fuer einen Moment lang alles zur Seite, hoeren die Nationalhymne und denken an ihren Koenig. Sollten sie zumindest.